07 :: Wohnung, Privatssphäre & Willkür
Hier geht es darum, dass die Wohnung als Anknüpfungspunkt (oder Surrogat) für die Erhebung des Rundfunkbeitrages - trotz bisheriger Rechtsprechung - nicht geeignet ist. Während es zutrifft, dass Wohnungsinhaber mehrheitlich auch Inhaber von Empfangsgeräten sind, bewegt sich die Art und Weise, wie Wohnungsinhabern und anderen (z.B. solchen, von denen man nicht weiß, ob sie Wohnungsinhaber oder nur Mitbewohner sind) nachgespürt wird und niemandem mehr ein Recht auf Anonymität, Verweigerung der Auskunft, Nicht-Weitergabe von Daten Dritter (ausziehende Mitbewohner) oder Ablehnung gelassen wird, in den Bereich staatlicher Willkür.
In meiner Klagebegründung von 2016 habe ich angegeben, dass es sich bei der Wohnung um einen geschützten Raum im Sinne des GG Art. 13 handelt, der die "Unverletzlichkeit der Wohnung" - ein Freiheitsrecht - garantiert, das durch das Vorgehen des Beitragsservice nicht mehr ausreichend geschützt ist. Art. 13 Abs. 1 GG beinhaltet ein Abwehrrecht gegen das Eindringen in geschützte Räume durch Angehörige der öffentlichen Gewalt (negatives Statusrecht). Die Gefahr des physischen Eindringens durch Amtspersonen besteht nach der Reform von 2013 zwar nicht mehr, sie wurde jedoch durch digitale Formen und zu weitreichende Auskunftsrechte ersetzt. Die Meldedatenabgleiche, die ursprünglich nur für den Beginn der Reform einmalig vorgesehen waren, werden mittlerweile regelmäßig durchgeführt. Teilweise werden Vermieter, Finanzämter und Banken (Dritte) zur Auskunft verpflichtet u. bei Vollstreckung wird per "Drittschuldnerzahlung von der Bank an das Finanzamt" ohne Einfluss des Schuldners direkt gezahlt (so z.B. bei Olaf Kretschmann am 18.02.2020: http://rundfunkbeitrag.blogspot.com/2020/02/nachweis-der-vollstreckungsbetrag.html).
Hier könnte man natürlich argumentieren, dass die staatlichen Stellen die Auskünfte schließlich so drakonisch einfordern müssen, weil die bösen Bürger ja ihren gesetzlichen Pflichten nicht freiwillig nachkommen u. es sich nicht um freiwillige Vereinsbeiträge handelt. Genauso wie Steuerpflichtige, die ihren Pflichten nicht nachkommen, müssen Rundfunkbeitragssünder verfolgt werden ... Gesetze müssen befolgt werden und, wo der Bürger nicht freiwillig folgt, müssen weitreichende Befugnisse geschaffen werden, um nachzuhelfen. Mit dieser Erklärung werden "Erzwingungsmaßnahmen" schön geredet... Aber es geht hier genau eben nicht um Steuern. Zumindest hat das das BVerfG in seinem Urteil vom 18.07.2019 erklärt. Bei keiner anderen Zahlungsverpflichtung als der Steuer gibt es jedoch derartig drakonische Durchsetzungsmaßnahmen: von der "Drittschuldnerzahlung" bis hin zur "Inhaftierung". - Wo hören hier also "ordentliche", angemessene Maßnahmen zur Durchsetzung von Gesetzen auf und wo fängt staatliche Willür an?
Meine Antwort:
Bei den Gesetzen zum Rundfunkbeitrag (den Staatsverträgen m. Gesetzescharakter) u. dem "individuellen Vorteil des Empfangs von ÖRR" (Definition, mit der das BVerfG die Verpflichtung zur Zwangsbeitragszahlung rechtfertigte) handelt es sich Maßnahmen u. Leistungen zur Garantie von Freiheitsrechten (GG Art. 5.1). - Es kann nicht rechtens sein, dass der Bürger zum Empfang von Freiheitsrechten praktisch gezwungen wird! Die Erzwingung des Erhalts (bzw. der Finanzierung, was aufs Gleiche hinausläuft) eines Freiheitsrechts ist ein Paradoxon an und für sich! Die Begründung von Verwaltungsgerichten i.d. Zus., keiner müsse den ÖRR nutzen u. es bestünde somit kein Nutzungszwang, verballhornt nur die Dinge ein weiteres Mal. Normal ist: Wer eine Zahlung für eine Leistung tätigt, der erhält diese Leistung - sie gehört ihm, ob er sie nun nutzt oder nicht ist dabei so irrelevant, wie wenn ich einen gekauften Artikel nach dem Auspacken wegwerfe: er war dennoch meiner.
"Die Erzwingung des Erhalts eines Freiheitsrechts ist ein Paradoxon an und für sich."
In genau dem Sinne ist es mit normal-menschenverständlicher Logik auch nicht vereinbar, dass das Freiheitsrecht auf "Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film" (GG Art. 5.1: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_5.html), so es denn von staatlicher Seite gewährleistet wird (was der Fall ist), einen "individuellen Vorteil" darstellen kann! Freiheitsrechte sind keine "individuellen Vorteile". Sie stehen JEDEM Individuum zu und können bei Erhalt nachher individuell ausgestaltet sein... aber diese "Ausgestaltung" ist eine andere Baustelle! - Die "Ebene 1" hier ist die "Gewährleistung von Freiheitsrechten", und bei dieser Gewährleistung erstmal geht es NICHT um die Zuschacherei oder Ausgestaltung von "individuellen Vorteilen". Es geht ums Grundsätzliche, ein aus dem GG heraus gewährleistetes Grundrecht - mehr nicht, weniger auch nicht.
Außerdem - zur Timeline oder Entstehung oder o.g. Willkürlichkeiten:
Gesetzesänderungen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk:
Interessant hier ist, dass die Änderungen des Bundesmeldegesetzes (BMG) von 2012, 2015 und 2017 im Zusammenhang mit der Änderung der Rundfunkfinanzierungsreform von 2013 (deren Planung lag davor - 2012 ist also ein relevantes Jahr) zu sehen sind.
Dabei wurde bspw. die Pflicht zur "Meldung" bei Umzug innerhalb von 2 Wochen von der Landessache zur Bundessache gemacht und die Mitwirkung des Wohnungsgebers bei der Anmeldung der einziehenden Person gegenüber dem Einwohnermeldeamt gesetzlich verankert. Vorgebrachte Kritik dazu vom Bundesbeauftragten für Datenschutz besagte, dass "die von den Bürgern als lästig empfundene Regelung wenig gebracht habe" und von einem Rechtsanwalt, dass es „auffällig sei, dass die Vermieterbescheinigung parallel zur Haushaltsabgabe eingeführt werde, denn davon profitiere die GEZ, da sie dann leichter beweisen könne, wer zumindest Mieter sei und damit ohne Zweifel zum Haushalt gehöre".
Zu dem Thema ist darüber hinaus interessant, wie "Meldepflichten" im Rest von Europa gehandhabt werden und ob sie nicht generell im europäischen Sinne in Deutschland über die Freiheitsrechte des individuellen Bürgers hinausgehen?
Zuletzt geht es um die Frage, inwiefern die angewandten Maßnahmen des Staates noch "im Rahmen" (oder bereits "staatliche Willkür"?) sind, die über den Meldedatenabgleich hinaus angewandt werden und zur Eintreibung der Beiträge von zahlungsunwilligen Personen.
Gerichtlich bestätigt wurde die Zulässigkeit der Einholung von Daten von öffentlichen Einrichtungen. In meinem Fall wurde meine Daten nach einem Umzug (ich meldete mich später erst um, um zu sehen, was passieren würde: die Post wurde per Nachsende-Antrag zugestellt = es gab keine Erreichbarkeitsprobleme und die Zahlung ist sowieso ausgesetzt) vom Beitragsservice von der Post angefordert und erhalten. Die Post ist jedoch meines Wissens nach kein staatliches Unternehmen mehr. Auf mehrere Anfragen (per Einschreiben mit Rückschein) erhielt ich keinerlei Antwort hierzu vom Beitragsservice. Erst der Berliner Datenschutzbeauftragte, bei dem ich mich beschwert hatte, erhielt diese Auskunft.
Von Zahlungsunwilligen (die keine Kläger mit Zahlungsaussetzung sind, wie ich) wurden lt. Facebook Geldeinzüge via Bank oder Finanzamt versucht. In einem Fall ging es bis zur Haftstrafe (die Betroffene hatte allerdings womöglich auch nicht den besten Weg für ihren Protest gewählt: Knast statt GEZ).
Die Frage bleibt in allen genannten Fällen, ob es sich um "angemessene Verfolgung" und "angemessene Zugriffe" auf Daten und Konten zur Durchsetzung des Gesetzes "komme was wolle" handelt, oder ob es sich aufgrund der Tatsache, dass es sich bei dem Gut, für das eine Gesetzesumsetzung gegen den Willen der betroffenen Bürger partout erwirkt werden soll, um ein "öffentlich-rechtliches" Gut handelt. Die Daseinsberechtigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks besteht in seiner Aufgabe, die Rundfunkfreiheit zu gewährleisten - ein Grundrecht ...
Kann es mit der Gewährleistung eines Grundrechtes vereinbar sein, gegen den Willen einer erheblichen Anzahl von Bürgern und Bürgerinnen speziell Gesetze zu erlassen oder bestehende ans Limit auszureizen, um deren Willen soweit zu beugen, dass ihnen die Gewährleistung ihrer Grundrechte praktisch aufgezwungen werden kann?
Kann es insofern rechtens sein, überhaupt Beiträge für die Gewährleistung von Grundrechten zu erzwingen? Sollten "Beiträge" zur Gewährleistung von Grundrechten nicht entweder auf freiwilliger Basis oder via dem allgemeinem Steueraufkommen (Haushalt) eingenommen werden? Jedenfalls nicht vom Indivdiduum, das für seine Grundrechte eigentlich gar nicht zu bezahlen haben sollte (Grundrechte sind lt. GG Art. 1 unveräußerlich)? Sollte nicht die Eintreibung "solcher Beiträge" per unausweichlichen Gesetzen ebenso wie die Verfolgung der Daten von Personen zu diesem Zweck als Akt staatlicher Willkür gesehen werden?
Diesen Fragen wird noch detailierter nachgegangen.
Außerdem zum Aspekt der "staatlichen Willkür":
- Deutsche Politiker haben maßgeblich dafür gesorgt, dass EU-Gesetze zu "Beihilfen" so gestaltet wurden, dass für sie bis dato in Deutschland geltende Vorteile bestehen bleiben konnten u. neue Gesetzen zu "Beihilfen" erst für die Zeit danach galten.
- Seit den 1950er Jahren sitzen deutsche Politiker in den Rundfunk-Gremien (Räten) und tragen dazu bei, dass alles bleibt, wie es ist = keine Modernisierung stattfindet, die hin zu mehr Demokratie und weniger Dominanz führt, im Gegenteil.
- Durch die Dominanz der Medien vom ÖRR u. den Politikern im ÖRR wurde die Rechtsprechung in den letzten Jahrzehnten (siehe Rundfunkurteile 1- xxx --> statt modernisierender Gesetzgebung verließ man sich ausschließlich auf die Gerichte -- bzw. darauf, dass die Gerichte nicht als "politisch" gelten wollen u. gerade deshalb das althergebrachte immer wieder zitieren u. dazu beitragen es zu perpetuieren).
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Weiterlesen:
08 :: Benachteiligung durch Geoblocking
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