Meine Klage gegen den ÖRR HEUTE

In 2016 habe ich Klage gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) bzw. den RBB (Rundfunk Berlin-Brandenburg) eingereicht - seit 2021 ist die Klage in 2. Instanz. Seitdem haben sich ein paar Dinge verändert. Bereits seit dem Urteil vom 18. Juli 2018 (BVerfG-Urteil: 1 BvR 1675/16, Rn. 1-157) habe ich mich intensiver mit dem ÖRR beschäftigt als zuvor und mir ist umso klarer geworden, wie wichtig es ist, dass sich grundlegende Dinge ändern - und, dass die Politik nicht zu den nötigen Änderungen bereit oder in der Lage ist, und der ÖRR selbst erst recht nicht.

Bild von Prof. Gersdorf und BR-Intendantin Wildermuth

 Quellen: YouTube/DAFF (12.11.2021) u. YouTube/BR Next (25.10.2021)

Deshalb möchte ich für den weiteren Verlauf den Schwerpunkt auf die nachstehenden m.E. wichtigsten 3 Bereiche legen. Zu diesen wird es aktuelle Beispiele auf den Blogseiten hier geben (sowie, siehe unten), außerdem Gutachten zu konkreten Aspekten davon, und Aussagen von Unterstützern und Initiativen, deren Beschwerden in dieselbe Richtung gehen.

Das sind:

  1. Der "Nachteil des möglichen Empfangs": Diese Formulierung hat den Hintergrund, dass das BVerfG den "möglichen Empfang" als "Vorteil" bezeichnet (1 BvR 1675/16, Rn. 73-76, 81). Hier geht es darum, dass die von den Gerichten beschriebene Qualtität nicht der Realität entspricht, sowie die Konsequenzen daraus: Konsequenzen für die gesamte Medienlandschaft (TV, Online-Medien u. Presse - Pressefreiheit), Konsequenzen für die Meinungsbildungsmöglichkeit für die Bevölkerung und jeden Einzelen, ebenso wie die "negative Informationsfreiheit". - Der Zusammenhang mit Letzterem besteht in der sog. "Medienrealität". Ein Begriff, den Prof. Michael Meyen prägte, und der besagt, dass eine Medienrealität auch existiert, wenn wir die ÖRR- u.a. Leitmedien nicht konsumieren.

  2. Der "individuelle Vorteil" (1 BvR 1675/16, Rn. 81) ist ein staatswillkürliches Konstrukt: Hier geht es einerseits darum, dass ein "individueller" Vorteil im Widerspruch zu einem Zwangsbeitrag steht, denn "individuelle Produkte" müssen Privatsache sein und von der Privatwirtschaft angeboten werden (Annahme freiwillig). Und andererseits darum, dass die "Individualisierung des Angebots" erst nachträglich (nach der Reform v. 2013 und deren besonderen Gutachten) begonnen wurde. Die Ausgestaltung des Angebots der Rundfunkanstalten hin zu Produkten "für jeden Einzelnen" läuft seit einigen Jahren erst und erreicht gerade aktuell eine neue Stufe (siehe neuer Medienstaatsvertrag 2020-2022; eine neuerliche Verzementierung der sog. dynamischen Grundversorgung bzw. "Bestands- und Entwicklungsgarantie" aus dem 6. Rundfunkurteil von 1991 [BVerfGE 83,238 WDR], ohne Grenzen und ohne Kontrolle). 

  3. Die Benachteiligung (Diskriminierung) von Geringerverdienern und Einpersonenhaushalten: Hier geht es darum, dass in beiden Fällen nicht hinnehmbare Ausmaße überschritten werden und Zahlen hierzu aus der Zeit vor 2013 (Reformjahr) vorlagen, aber unberücksichtigt blieben. Auf Basis einer nicht haltbaren Begründung (Nutzung sei nicht messbar) wurde eine "Typisierung" angewendet (Nutzung ist messbar), mit der per pauschaler (gleich hoher) Verpflichtung/Beitragshöhe geringer Verdienende und Geringverdienende stark benachteiligt werden (nur Härteälle ausgenommen). - Dieser Punkt soll auch deshalb im Fokus bleiben, da es hier um persönliche Betroffenheit geht (wichtig für Gerichte). Wichtig dabei ist auch, dass diese Benachteiligung Menschen mit weniger Einkommendurch nicht nur durch die verhältnismäßig höhere Belastung durch den Runfunkbeitrag diskriminiert, sondern auch dadurch, dass so Benachteiligte weniger oder gar nicht in der Lage sind, andere Bezahl-Medien zu nutzen oder zu unterstützen (lt. Reuters Digital News Report, 2021, sind in Ländern mit großem ÖRR nur 9% bereit, für Nachrichten-Medien zu bezahlen - zu diesen 9% können Geringverdiener nicht gehören).


Beispiele zu 1: Hierzu gibt es Beispiele auf den hiesigen Blogseiten u. davon wird es in Zukunft mehr geben. Weitere und bessere Beispiele noch finden sich auf den Seiten der Ständigen Publikumskonferenz hier: Ständige Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien e.V.

Beispiele zu 2: Hierzu äußerte sich (siehe dazu auch Bild oben) z.B. Prof. Gersdorf auf einer Podiumsdiskussion der DAFF (Deutsche Akademie für Fernsehen e.V.) zur Zukunft des ÖRR am 12.11.2021 sehr aufschlussreich (Video auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=Y6LSWbWpT5s ab min. 59:10). In Kombination mit den Äußerungen von Katja Wildermuth (Intendantin des BR) bei den MedienTagen München am 25.10.2021 (Video auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=-0dfURkPEVU ab min. 03:23) wird das Problem bestens illustriert (ein Video das beide Kernaussagen nebeneinander in einem Clip darstellt, folgt hier demnächst). Hier einige Zitate daraus:

Prof. Gersdorf (YouTube/DAFF, 12.11.2021):  "Die Länder laufen ganz schnell in die Gefahr gegen unsere Verfassung zu verstoßen. Der Funktionsauftrag ist erst zu bestimmen und dann ist zu bestimmen, welche Mittel hierfür erforderlich sind, nicht umgekehrt. / Die Beitragszahler sind überhaupt in dem gesamten System nicht richtig geschützt. [...] Dann sagt man immer, ja, aber das läuft doch dann im Beitragsfestsetzungsverfahren. Das ist dann immer die große Lüge. Weil, wir wissen, im Beitragsfestsetzungsverfahren ist von dem Auftrag auszugehen und es ist dann eigentlich nur noch dazu zu raten, wo es billiger geht. / Wir haben hier rechtsstaatliche Defizite, die skandalös sind [...]; ein System, das sich irgendwie etabliert hat u. der Beitragszahler, ob die Mehrbelastung gerechtfertigt ist [...]; der Mehrwert, der mit einer Expansion verbunden ist [...], das überprüft keine Stelle mehr, sondern das wird letztlich in die Hand des öffentlich-rechtlichen Systems gelegt, und das darf natürlich nicht gemacht werden."

Katja Wildermuth (YouTube/BR Next, 25.10.2021): "Sagen wir mal so, die Zeit des Sendens es ist quasi vorbei. Wir haben ja früher ein Programm gemacht u. für ganz viele gesendet. Stichwort: Massenmedium. Und jetzt merken wir im Inernet, dass jeder erwartet, das merken wir mit der ersten Google-Recherche, dass er maßgeschneiderte Angebote kriegt, und nicht mehr eins für alle. D.h. im Internet werden wir immer, immer segmentierter für einzelne Zielgruppen einzelne Angebote machen. Was für uns eine große Herausforderung ist, weil es ist sozusagen eine Explosion an Aufgaben, natürlich. / Also ein Sparprogramm ist Qualität ins Internet zu transferieren, und maßgeschneiderte Angeobte zu machen, für junge Leute, Stichwort „NewsWG“, für Menschen mit Migrationshintergrund, Stichwort „Working Germany“, für Klassikfans, Stichwort unsere „Podcasts“, gerade mit Igor Levitt. / Wenn man das alles macht, selbstverständlich hat das mit Sparen nichts zu tun. Das ist ein Ausdifferenzieren für verschiedene Zielgruppen. Und, wir dürfen nicht vergessen, in unserem Auftrag, im Gesetz, steht, der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll die ganze Breite der Gesellschaft erreichen."

Kommentar von mir: Dass die Breite der Gesellschaft erreicht werden soll, steht so im bisherigen Auftrag. Die Bedeutung dieser Breite ist jedoch nicht gleichsetzbar mit immer segmentierteren, kleinteiligeren, bis aufs Individuum ("maßgeschneiderte Angebote") herunterbrechbaren Zielgruppen.


Beispiele zu 3: Für Beispiele hierzu sollten meine Recherchen von 2016 hinreichend geeignet sein - siehe: https://rundfunkbeitragsreform.blogspot.com/p/zusammenfassung-liste-der-klagegrunde.html

Weitere folgen demnächst in den Blog-Posts.


Letzte Änderung:
18.07.2022


 

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