Die Klimakrise, die Klimamedienkrise und der ÖRR
Irgendwann, lange nachdem mir aufgefallen war, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk über diverse Themen einseitiger berichtet noch als z.B. die BBC oder France24 (zu vielen Themen, aber nur als Bsp. genannt sei Kuba, da dieses Beispiel in meiner Klage von 2016 aufgeführt ist), fiel mir auf, dass auch die Klimaproblematik bei ARD und ZDF quasi nur als Problem des Einzelnen oder anderer Länder in weiter Ferne existierte, und also als KlimaKRISE gar nicht vorkam.
In 2020 hatte ich erste anfängerhafte Videos auf YouTube hochgeladen, darunter eines mit der Überschrift "Für die Klimakrise hatte die ARD keine Tränen mehr!", das die ARD Tagesthemen v. 08.08.2020 mit der Hauptnachrichten-Sendung von SAT1 am selben Tag verglich. Die ARD Tagesthemen hatten am Schluss über "Seminare im Weinen" in Japan berichtet, SAT1 über ungesunde Ernährung und das Klima. So ging es im Prinzip ständig, aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, also begann ich zu notieren, was mir auffiel, um mehr Videos zu machen. Ein paar gute kamen auch dabei herum. Ich notierte immer mehr (aber die Zeit fehlte für mehr anschauliche Video-Beweise), kopierte dann zur detaillierteren Dokumentation die Inhaltsangaben der Tagesschau von YouTube (dort ausführlicher und hilfreicher als auf den Webseiten der ARD) und stellte sie für die Monate Januar bis Juni 2021 auf den Blogpost-Seiten hier zusammen, jeweils mit der Überschrift bzw. dem Fazit "Auch im Monat XY keine Klimakrise bei der Tagesschau". Der Plan war, die Doku für 1 Jahr fortzusetzten, aber leider machte mir die knappe Zeit dabei einen Strich durch die Rechnung. Sie reichte zu der Zeit nicht dafür und somit auch nicht für eine akribischere vollständige Analyse verschiedener Sendungen über einen längeren Zeitraum, so dass das Ergebnis Beweiskraft hätte. Dann fiel mir auf Twitter "KLIMA° vor acht" auf, endlich (es gab sie wohl schon seit Mitte 2020). Juhu! Da sammelten auch noch andere.
"KLIMA° vor acht"
Im November 2021 veröffentlichte "KLIMA° vor acht" eine Auswertung von Programmdaten seit 2016, die zu dem Schluss kam: "Im Verhältnis zum öffentlichen Interesse an der Klimakrise gibt es deutlich zu wenig Sendungen bei ARD und ZDF, die sich mit dem Thema befassen." (Zitat @KlimaVorAcht | Tweet vom 03.11.2021) und brachten den Hashtag #KlimaMedienKrise auf.
Auf der o.g. Programmdaten-Seite von "KLIMA° vor acht" wird anschaulich gemacht, wieviel intensiver die Berichterstattung und zahlenmäßig größer die Programmanteile zur Coronakrise bis Ende 2021 bei ARD (inkl. regionaler Sender) und ZDF waren, und, dass sich die von der Bevölkerung empfundene Relevanz bei Corona in den Programmen weitgehend wiederspiegelte - jedoch ganz und gar nicht so bei der Klimakrise. Hier zeigt das Schaubild (aus einerseits der "Programmhäufigkeit", andererseits Umfrage-Werten zur Relevanz durch Forschungsgruppe Wahlen e.V.) wieweit Angebot und Relevanz auseinandergehen. Besonders interessant dabei: Ende 2021 gehen die Programmanteile zur Coronakrise wieder rauf, zur Klimakrise gehen sie runter. Mit der Relevanz verhält es sich genau umgekehrt, und zwar nicht nur ein bisschen, sondern drastisch.
Grafik von "KLIMA° vor acht" (Quelle: Programmdaten):
Reaktionen der Öffentlich-Rechtlichen auf "KLIMA° vor acht"
"KLIMA° vor acht" wollte (oder will) natürlich nicht nur Daten sammeln. Sie schrieben am 23.03.2021 einen Offenen Brief an den Vorsitzenden der ARD und forderten, eine der Krise angemessene Berichterstattung. Etwa 180 Prominente aus Wissenschaft, Kultur und Medien waren unter den Erstunterzeichnern. Klima-Themen sollten einen prominenten Sendeplatz in der ARD bekommen, wie "Börse vor acht" - nur eben "Klima vor acht". Als positive Beispiele produzierten sie eine 1. Staffel aus 6 Videos über Moore, Wälder, Abwrackprämien und anderes Interessante mehr selbst (kann man sich hier ansehen).
Schon vor dem Offenen Brief an die ARD war einer der "Journalisten" (die Bellut in der Verantwortung sah) gefragt worden, und zwar ein Entscheider unter ihnen: Christoph Schmidt, der geschäftsführende Redakteur für das ARD-Vorabendprogramm. Er befand, dass „wir schon sehr, sehr viel Klimaberichterstattung in unserer Viertelstunde vor acht haben“. Und überhaupt: die Interessenten an Klimaschutz seien eine "Interessengruppe"! - Wörtlich sagte er:
„Auch wenn Klimaschutz vielleicht ein hehres und richtiges Ziel ist: Es
ist trotzdem erstmal eine parteiische Interessengruppe, und wenn jede
Interessengruppe sagt: ‚Ich mache mal meinen Piloten und mache meinen
Beitrag so, wie ich ihn mache‘, und wir räumen dann Sendeplätze dafür
frei, damit habe ich als unabhängiger Journalist ein großes Problem.“ (DLF berichtete am 09.09.2020, Hervorhebung von mir).
Nach kurzer Verhandlungszeit und Planung kam es dann zu einer Partnerschaft von "KLIMA° vor acht", "Geo", "Wetter.de" und RTL. Am 08.07.2021 begann RTL mit der Ausstrahlung von Sendungen wie "Klima vor acht" - dem "Kima Update" (DWDL berichtete am 10.06.2021).
Im Mai 2022 verschickte "KLIMA° vor acht" ihr neues Buch "Medien in der Klima-Krise" an die Rundfunkräte der Landesrundfunkanstalten sowie dem Fernsehrat des ZDF. Besonders schnell sandte der WDR die komplette Lieferung zurück. Nach Protest in den sozialen Medien mit dem nachgelieferten Kommentar: „Leider verteilen wir grundsätzlich keine Unterlagen von Verbänden an die Mitglieder des Rundfunkrats“ (die Leipziger Zeitung berichtete am 06.06.2022). Die Häufigkeit der Berichterstattung über Wirtschafts-, Industrie- oder Bankenverbände (u.a.m.) gibt jedoch Anlass zu Zweifeln an der Begründung. Ebenso wie die Tatsache, dass die Anstalten nicht selbst handeln und dann eben ein Format, zum Beispiel, "Klima um acht" in die Tagesschau aufnehmen, oder "Klima nach acht", "Klima um neun" oder "Klima um zehn" senden - oder andere eigene Ideen bringen, wie man der jahrzehntelang verschleppten Berichterstattung jetzt gerecht werden könnte.
Stattdessen haben die Anstalten bei ihrer Fit-Machung für die Zukunft ganz anderes im Sinn. Aktuelle Reformen zielen auf immer "individuellere Produkte" ab (siehe dazu auch Pkt. 3 meiner Seite Meine Klage gegen den ÖRR HEUTE).
Über den aktuellen Stand bei "KLIMA° vor acht" kann man sich hier informieren.
Die lange Geschichte der Misshandlung der "Interessengruppe"
Die beispielhaften Äußerungen von ARD-Redakteur und ZDF-Intendant stehen für die Grundeinstellung der Entscheider bei den Anstalten. Dass das nicht nur eine hyperbolische Behauptung von mir ist, zeigt das Ergebnis der Arbeit der ARD- und ZDF-"Journalisten", das schon Peter Scholl-Latour 2013 als einseitig bezeichnete und als Beitrag zu "medialer Massenverblödung". Seit etwa genauso langer Zeit dokumentiert der Verein Ständige Publikumskonferenz der öffentlich-rechtlichen Medien e.V. Beispiele, die dies belegen. Zur Herkunft dieser Einstellung ebenso wie der Einflussnahme auf sie müsste mal im Detail geforscht werden. Aber zu einem nicht unbedeutenden Teil haben die Autoren des Buchs "Medien in der Klima-Krise" hierzu bereits Aufschlussreiches geliefert. Die Leipziger Zeitung berichtete über das Buch und schrieb, es würde öffentlich Einfluss genommmen. "Mehrere Beiträge beschäftigen sich mit dem enormen Einfluss, den z.B.
schwerreiche Ölkonzerne und Think Tanks nicht nur auf die Politik,
sondern auch auf die Medien genommen haben, um zu verhindern, dass die
Menschen ein realistisches Bild von der Welt, den Folgen eines
entfesselten Raubbaus an der Natur und eines völlig entgrenzten fossilen
Energieverbrauchs bekommen" (LZ-Artikel v. Ralf Julke, 06.06.2022).
Und mit dieser Einflussnahme auf die ÖRR-Medien und zielgerichteter Beeinflussung seitens der ÖRR-Medien, ging es nicht 2013 erst los. Da mir Zeit und Mittel für eine eigene Langzeitstudie fehlen, nenne ich hier nur ein Beispiel, das aber deren "Ausrichtung" bereits damals gut veranschaulicht. Es wurde mir von der ZDF Heute Show ins Haus geliefert (frei Haus kann man ja nicht sagen). Das Beispiel soll hier symbolhaft für eine seit Jahrzehnten (wenn nicht von Anfang an) betriebene "Ausrichtung" stehen - und es ist: GORLEBEN.
Am 02.10.2020 stimmte das Bundesumweltministeriums dem Vorschlag der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) zu, Gorleben zu schliessen. Eine Korrektur der Politik nach 43 Jahren beendete das Thema Gorleben als Endlager und gab damit der Anti-Atom-Bewegung, die sich dafür so lange eingesetzt hatte, endlich recht. Oliver Welke erwähnte diesen Umstand passenderweise in der ZDF Heute Show v. 02.10.2020 und zeigte einen zurückblickenden Clip aus dem Jahr 1973.
1973: Das ZDF bezeichnet Protestierende gegen Gorleben als "Umweltschutz-Fanatiker" und die Schrift auf ihren Fahnen als "unsinnig" (Quelle: Screenshot der ZDF-HeuteShow v. 02.10.2020) |
1973 kommentierte das ZDF darin wie folgt: "Der dringend notwendige
50-Mrd.-schwere Bau dieser Anlagen aber wird nicht zuletzt durch den
massiven Protest von Umweltschutz-Fanatikern verzögert. Sie vermuten nicht wieder gut zu machende Schäden in der Natur und malen unsinnige Vorstellungen von Atom-Gefahren auf ihre Fahnen." (Hervorhebungen von mir)
Das Video der ZDF Heute Show mit dem Titel "Atommüll-Endlager: Kein Bundesland will den radioaktiven Abfall | heute-show vom 02.10.2020" ist auf YouTube in Gänze hier zu bewundern, und der Rückblick auf 1973 beginnt bei Min. [01:16].
Damit sollte alles gesagt sein. ARD und ZDF haben ihr Vokabular angepasst, aber in eher gerinfügigem, politisch gefälligem Maße. Viel mehr nicht. - Was gestern "Fanatiker" waren, sind heute "Interessengruppen".
Leider glauben "KLIMA° vor acht" und viele andere Kritiker, sie könnten mit Kritik allein einen schwerfälligen Apparat bewegen, der seit Jahrzehnten eine eigene Agenda betreibt, statt Ursachen und Hintergründe zu beleuchten (nicht nur zur Klimakrise), dahin, stattdessen angemessen zu berichten und umfassend zu informieren. Meiner Meinung nach zeigt das Verhalten von ARD und ZDF deutlich, dass sie nicht reformierbar sind. Über die hier erwähnten Beispiele hinaus, gibt es diverse andere, die an anderer Stelle thematisiert werden sollen, die zeigen, dass die Anstalten Kritik nicht nur weit von sich weisen, sondern es mit dem Argument tun, man dürfe keinen Einfluss auf sie ausüben (also nur Kritik im Kleinen, per Programmbeschwerde über einen Satz hier oder dort). Sie würden bereits ausreichend kontrolliert, u.a. von der KEF, Räten, Landesparlamenten etc. - Experten wissen, dass das nicht der Fall ist.
Deshalb braucht es eine Klage, die die Entscheidung des BVerfG v. 18. Juli 2018 aufrollt, und belegt, dass dem Gericht einseitige Gutachten und Fachartikel vorlagen, während wichtige ihnen zuwider laufende Erkenntnisse, jenseits der schönen Theorie, zum "real-existierenden ÖRR" nicht vorlagen.
Letzte Aktualisierung: 01.07.2022
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